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Besteuerung von Sanierungsgewinnen - weiterhin keine Rechtssicherheit

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Keine Genehmigung durch Schreiben der Kommission zu § 3a EStG n.F.

Am 13.8.2018 schrieb die FAZ, die EU-Kommission habe der Bundesregierung in einem Brief mitgeteilt, dass sie die steuerlichen Privilegien des § 3a EStG billige. Der Brief, der auch als „Comfort Letter“ bezeichnet wird, ist bislang nicht veröffentlicht. Der Brief soll dem Vernehmen nach den Hinweis enthalten, dass die EU-Kommission die Ausnahme von der Besteuerung von Sanierungsgewinnen als eine „bestehende Beihilfe“ („existing aid“) oder als „Altbeihilfe“ ansieht.

Die Beurteilung der Konsequenzen aus der Einordnung als „existing aid“ ist komplex.

1. Keine Rechtssicherheit

Die Einordnung als „Altbeihilfe“ führt nicht zu einer Genehmigung oder sonstigen europarechtlichen Bestandskraft der Regelung des § 3a EStG. Sie führt zunächst nur dazu, dass das sog. Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht greift. Der Mitgliedstaat, hier: die BR Deutschland, ist dagegen nicht vor inhaltlicher Kritik der Kommission oder sogar vor Änderungsverpflichtungen geschützt, vgl. Art. 21 ff. VO 2015/1589 v. 13.7.2015. Die Kommission kann jederzeit „ex nunc“ eingreifen. Eine dauerhafte Rechtssicherheit für Unternehmen ist damit nicht zu erzielen. Auch Wettbewerber können jederzeit gegen die gewährte (Alt-) Beihilfe mit dem Argument vor deutschen Gerichten klagen, die Nicht-Besteuerung des Sanierungsgewinns sei eine unzulässige und nicht genehmigungsfähige Beihilfe, die sie - wegen der immanenten Wettbewerbsverzerrung - in ihren Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322).

Der „Brief“ der Kommission könnte indirekt sogar belegen, dass die Kommission die neue Regelung des § 3a EstG als eine „Beihilfe“ i.S.d. Art. 108 AEUV einordnet. Zwar als eine „Alt-Beihilfe“, aber gerade nicht - wohl dem BFH folgend - als eine nicht selektive, allgemeine, steuersystemkonforme Regelung. § 3a EstG soll dem Beihilfekontrollregime also offenbar gerade nicht entzogen sein. Dem Vernehmen nach bringt die Kommission bislang jedoch wohl lediglich zum Ausdruck, dass sie die neue Regelung für eine "Altbeihilfe" halten würde, sofern es sich überhaupt um eine Beihilfe handelt. Die Frage, ob § 3a EStG n.F. eine "Beihilfe" ist, bleibt also vorerst offen.

2. Keine Altbeihilfe

Zudem ist es äußerst zweifelhaft, ob die Nicht-Besteuerung von Sanierungsgewinnen von den europäischen Gerichten als eine „bestehende“ (Alt-) Beihilfe anerkannt würde.

Zwar spricht der BFH in seinem Urt. v. 28.11.2016 von „Gewohnheitsrecht“ (BFH, Urt. v. 28.11.2016, Rz. 57). Auch Seer (Bochum), FR 2014, 721 ff., hat herausgearbeitet, dass Sanierungsgewinne bereits vom RFH 1929 nicht besteuert wurden. Er spricht von „Rechtskontinuität“.

Jedoch wurde die (Nicht-) Besteuerung des Sanierungsgewinns mehrfach umgestaltet, etwa mit Einführung des § 3 Nr. 66 EStG im Jahr 1977, mit dessen Abschaffung zum 31.12.1996 und sodann mit Einführung des Sanierungserlasses 2003. Es wäre fahrlässig - und rechtsunsicher -, diese Umgestaltungen als „nicht vertiefende Umgestaltungen“ (Seer, 2014) zu qualifizieren, zumal der EuGH eine Umgestaltung schon dann für möglich hält, wenn lediglich Durchführungsbestimmungen geändert wurden (vgl. zuletzt u.a. EuGH, Urt. v. 18. Juli 2013, P Oy, „Ausdehnung der Tragweite der Regelung“, Rz. 45 ff.).

3. Kein rechtssicheres Inkrafttreten

Schließlich kann wohl auch der § 3a EstG nicht ohne ein weiteres Handeln des deutschen Gesetzgebers in Kraft treten.

§ 3a EstG n.F. wurde eingefügt durch Art. 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Gesetz v. 27. 6. 2017 (BGBl I S. 2074). Die Regelung tritt „an dem Tag in Kraft, an dem die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass die Regelungen <...> entweder keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen.“ Da der „Brief“ der Kommission dem Vernehmen nach keinen „Beschluss“ der Kommission enthält und zudem nicht mit dem gesetzlich geforderten Inhalt, dürfte § 3a EStG n.F. erneut durch den Gesetzgeber zu ändern sein.

Es bleibt freilich dabei, dass auch mit der Streichung des Genehmigungsvorbehalts eine beihilferechtlich rechtssichere Regelung nicht bewirkt werden kann (siehe oben).

4. Praktische Konsequenzen

Eine rechtssichere Nicht-Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist nach wie vor nicht in Sicht. Das wäre erst dann der Fall, wenn § 3a EstG n.F. im weiteren Gesetzgebungsverfahren so angepasst würde, dass er den Vorgaben des EU-Beihilfenrechts einschließlich der Rettungs- und Umstrukturierungs-Leitlinien der Kommission entspricht.

Die Änderung im Gesetzgebungsverfahren würde zwar erneut etwas dauern und der Praxis einige Änderungen zumuten. Die Zumutungen sind aber beherrschbar. Die Verzögerung ist ein Versäumnis der Bundesregierung. Es mag aber auch sein, dass die Kommission im Genehmigungsverfahren bereits konkrete Vorschläge zur Umgestaltung des § 3a EStG n.F. angeregt hat. Dann sind diese Wege zu prüfen und ggfls. zu gehen, jedenfalls solange es rechtssicher gelingt, die beihilferechtlichen Vorgaben des EuGH einzuhalten.

Der jetzige Zustand ist für die Praxis unakzeptabel und dringend rechtssicher zu ändern. Mit dem „Brief“ der EU-Kommission ist § 3a EStG nicht in Kraft getreten. Mit einer kurzfristigen, rechtssicheren Lösung für die geplante Nicht-Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist nicht zu rechnen. Es kann derzeit nicht vorhergesagt werden, wann eine zumindest hinreichend rechtssichere Lösung vorliegen wird.

 


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