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Sanierungs- und Insolvenzrecht wird modernisiert

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Kabinett beschließt Regelungsrahmen für Sanierungen ohne Insolvenzverfahren

Die Bundesregierung hat neue Regelungen zur Modernisierung des Sanierungs- und Insolvenzrechts auf den Weg gebracht. Das geht aus einer Pressemitteilung des BMJV vom 14. Oktober 2020 hervor. Der Regierungsentwurf setzt auf dem Referentenentwurf des Justizministeriums (BMJV) von Mitte September 2020 auf (wir haben berichtet).

Sperrig sind die Begriffe. Kern des Entwurfs ist das sog. StaRuG („Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“), das eingebettet ist in das Artikelgesetz des sog. SanInsFoG („Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz“). Das StaRuG wird im SanInsFoG ergänzt durch die Änderung zahlreicher Einzelgesetze, u.a. der Insolvenzordnung (InsO), des BGB, des HGB, des GmbHG, des Steuerberatergesetzes, der Wirtschaftsprüferordnung oder der Handwerksordnung. Immerhin: der Regierungsentwurf nimmt die genderneutrale Sprache („-innen“) zurück. Der Referentenentwurf war schwer zu lesen.

Inhaltlich sollen kollektive Vereinbarungen für aussichtsreiche Sanierungen mit allen Gläubigern oder mit einer erforderlichen Teilmenge von Gläubigern weiter erleichtert werden, und zwar außerhalb von Insolvenzverfahren, die im Referentenentwurf ausdrücklich als zu teuer („Verfahrenskosten“) und als schlecht beleumundet angesehen werden („negativ konnotierte Publizität <…> und Reputationskosten“). Es soll insbesondere leichter werden, auch opponierende Gläubiger in eine für alle Gläubiger sinnvolle Sanierung einzubinden. Der Referentenentwurf hatte davon gesprochen, dass „eigensinnigem Verhalten“ einzelner Gläubiger die Grundlage entzogen werden soll.

Beachten muss der Gesetzgeber aber auch, dass Verträge in guten Zeiten gemacht werden, um sie in schlechten Zeiten einzuhalten („pacta sunt servanda“). Niemand kann gezwungen werden, seinen wohlerworbenen Anspruch für ein Gruppengemeinwohl anderer Gläubiger oder gar des Schuldners selbst zu opfern. Dieses für die Wettbewerbswirtschaft zentrale und vom Grundrecht des Eigentums geschützte Prinzip der Vertragstreue darf jenseits freiwilliger Zugeständnisse nur durchbrochen werden, wenn es dafür „sachgerechte“ Gründe gibt, wenn der Schuldner einen eigenen Beitrag leistet und wenn die Rechte nur unter klaren Voraussetzungen und in einem gesetzlich geregelten Verfahren beschnitten werden können. Das Gesetz sieht darum etwa für die Beendigung nicht vollständig erfüllter Verträge eine beschwerdefähige Entscheidung des Restrukturierungsgerichts vor. Daraus erwachsende „Nichterfüllungsforderungen“ sind im Restrukturierungsplan - dazu sogleich - gestaltbar. Die Beschränkungen der Vertragsbindung sind für Gläubiger dann immerhin einigermaßen vorhersehbar. Die erwartbaren Kosten solcher Beschränkungen dürften entlang der Wertschöpfungsketten als Regulierungskosten des Geschäfts eingepreist werden.

Ein Selbstläufer ist die Inanspruchnahme des neuen Regelungsrahmens nach alledem nicht. Nur wenn Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig sind, sich also noch im Stadium der sog. drohenden Zahlungsunfähigkeit befinden, können sie für die Zeit der Sanierungsverhandlungen Vollstreckungs- und Verwertungssperren beantragen („Stabilisierungsanordnung“). Rückstände gegenüber Arbeitnehmern, den Sozialversicherungsträgern, dem Finanzamt oder gegenüber Lieferanten erschweren solche Sperren. Höher sind die Hürden auch dann, wenn das Unternehmen in den vergangenen drei Jahren seinen Rechnungslegungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Für die neuen Sanierungsinstrumente gilt also - wie schon immer für alle Sanierungsmaßnahmen -: je früher, desto besser.

Auch wenn der neue Regelungsrahmen Sanierungen außerhalb von gerichtlichen Insolvenzverfahren ermöglicht, gibt es zahlreiche Verbindungen zum Insolvenzrecht. Vertiefte Kenntnisse dieser Rechtsmaterie sind also zwingend erforderlich, um außergerichtliche Sanierungen beraten und begleiten zu können. In der Sanierung können etwa sog. „Restrukturierungsforderungen“ nur auf der Basis eines „Restrukturierungsplans“ gestaltet werden, der im Aufbau im Wesentlichen einem Insolvenzplan, § 217 ff. InsO, entspricht (vgl. Anlage zu § 7 Satz 2 StaRuG). Nicht gestaltet werden können Forderungen von Arbeitnehmern sowie Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen oder Bußgelder, § 39 Nr. 3 InsO. Auch das Recht der Sicherheiten im Insolvenzverfahren fließt über die gestaltbaren Absonderungsrechte („Absonderungsanwartschaften“) in das neue Sanierungsrecht mit ein. Neu und jedenfalls für die Beratungspraxis der Großkanzleien und der großen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ungewöhnlich ist, dass „angemessene“ Stundenvergütungen festgesetzt werden, nämlich für Restrukturierungsbeauftragte („bis zu 350 Euro“) und für deren Mitarbeiter („bis zu 200 Euro“). Wir - der Autor dieses Artikels und unsere Teams - bewegen uns mit unserer mittelständischen Kanzlei schon bislang innerhalb dieses Rahmens.

Präzisiert und zugleich erweitert wird auch das Recht des Zugangs zu Eigenverwaltungsverfahren. Der Gesetzentwurf will ausdrücklich solchen Unternehmern einen „Vertrauensvorschuss“ gewähren, die rechtzeitig und redlich die Sanierung ihres Unternehmens vorangetrieben haben. Schon mit dem Antrag sollen etwa eine Finanzplanung, ein Eigenverwaltungskonzept, ein Stand der Verhandlungen mit Gläubigern und eine Kostenplanung eingereicht werden. Die Angaben müssen richtig, vollständig und schlüssig sein. Hat der Schuldner seine Zahlungs- und Rechnungslegungspflichten in der Vergangenheit nicht erfüllt, muss er besonders gut begründen, dass und wie er seine Geschäftsführung in der Zukunft an den Interessen der Gläubiger ausrichtet. Das bedeutet zugleich: der neue Sanierungsrechtsrahmen wird wohl nur akzeptiert, wenn die Insolvenzgerichte ihre Entscheidungen vor allem auch wirtschaftlich gut nachvollziehbar begründen.

Schließlich: die Geschäftsführerhaftung für Zahlungen nach Insolvenzreife aus § 64 GmbHG soll entfallen. Das kann mit dem neuen Überschuldungskonzept und einer ergänzten Haftung für Sorgfaltsverstöße begründet werden. Die Insolvenzantragsfrist bei Zahlungsunfähigkeit bleibt 3 Wochen, für Überschuldungen wird sie auf 6 Wochen ausgedehnt. Allerdings dürften die Unsicherheiten zunehmen, wann „der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen“ ist. Das Haftungsrisiko für Geschäftsführer wird also kaum abnehmen.

 


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